Februar 2024

STORY STRUCTURES - Mit Plan zum Ende

Hat man sich endlich dazu entschlossen, sein erstes Buch zu schreiben, passiert es nicht selten, dass man zwar motiviert startet, aber nach ein paar Kapiteln versauert das Manuskript in einer virtuellen Schublade am Computer. 

„Story structures“ helfen uns dabei Geschichten zu erzählen, ohne den roten Faden zu verlieren. In diesem Artikel stelle ich dir die wichtigsten Erzählstrukturen vor, die man als Autorin oder Autor einmal gehört haben sollte. Vielleicht erkennst du in der ein oder anderen „story structure“ sogar dein Lieblingsbuch oder deinen Lieblingsfilm wieder.    

Was sind „story structures“?

Wie der Name bereits erahnen lässt, sind „story structures“ Strukturen, mit denen die Handlung der Geschichte dem Publikum erzählt wird. Strukturen gibt es dabei wie Sand am Meer, wobei ich vorwegnehmen möchte, dass keine besser oder schlechter ist. Genauer genommen haben alle Geschichten, die wir lesen, uns im Fernsehen und Kino ansehen oder als Hörbuch genießen gewisse Strukturelemente gemeinsam - nämlich: den Anfang, die Mitte und das Ende

Okay, das hört sich jetzt sehr banal und abgedroschen an, aber natürlich steckt noch mehr hinter den „story structures“. Durch den vorgegebenen Rahmen geben sie der Geschichte halt, beantworten damit die Fragen, die sich das Publikum stellt, liefern einen Höhepunkt und die Auflösung, ermöglichen die Charakterentwicklung und den zentralen Konflikt. Kurzum sie sind der rote Faden.  

Aber gehen wir noch einen Schritt weiter. Stellen wir uns vor, wir sitzen bei einem kühlen Getränk in einer gemütlichen Runde in dem Café um die Ecke. Gerade erzählt Marie von dem neuen Superhelden Film, der gerade im Kino läuft und gibt uns einen Überblick über die spannende Handlung. (Hier nehmen wir an, dass Marie uns davor gefragt hat, ob wir ihn schon alle gesehen haben, damit sie uns nicht spoilert. Ich denke dabei z.B. an „Iron Man“.) Als sie fertig ist, meint Stefan, dass der neue Krimi viel besser ist, denn der ist nicht so vorhersehbar (Auch Stefan spoilert natürlich nicht. Hier nehmen wir z.B. die Romanverfilmung von „Der Name der Rose“.). 

Aber ist er das wirklich nicht? Jan ist da anderer Meinung. Er beginnt beide Handlungen miteinander zu vergleichen und öffnet uns allen am Tisch damit die Augen, denn beide Geschichten haben eine klassische Erzählstruktur. 

Die Merkmale der klassischen Erzählstruktur sind:

  1. Exposition: Die Charaktere werden eingeführt und der zentrale Konflikt kündigt sich an.
  2. Rising Action/Komplikation: Die Handlung nimmt fahrt auf, es folgen mehrere dramatische Ereignisse, die schließlich im Höhepunkt münden.
  3. Climax/Klimax: Der Höhepunkt der Geschichte
  4. Falling Action/Retardation: Die Handlung verlangsamt sich, während die Spannung weiter zunimmt. Der Held steuert auf die Katastrophe oder Auflösung zu.
  5. Resolution/Lysis: Die Auflösung, in der alle Handlungsstränge und Fragen zusammenlaufen und beantwortet werden.

   Neben der klassischen Struktur gibt es aber noch andere, die man als Autor oder Autorin unbedingt kennen sollte. 

Die Heldenreise

Diese Reise nahm ihren Anfang bei Joseph Cambpell, ein amerikanischer Forscher, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, mythologische Schriften auf Erzählmuster zu untersuchen. Er hat auch tatsächlich eines gefunden und es kurzerhand „die Heldenreise“ genannt. In ihrer ursprünglichen Form umfasst sie 17 Schritte. 

Mittlerweile gibt es viele verschiedene Modelle. Ich werde euch hier eine Heldenreise in 12 Schritten anhand eines Beispiels vorstellen, alternativ findet ihr in der Grafik eine Heldenreise in 11 Schritten. 

Um euch also mit auf die Reise zu nehmen, sehen wir uns  Bilbos Geschichte aus „Der Hobbit“ (Filmversion) mal genauer an. 

  • 1. Die gewohnte Welt: Die Geschichte beginnt und Bilbo befindet sich im Auenland. Er ist glücklich und lebt sein Leben in gewohnter Marnier.
  • 2. Der Ruf zum Abenteuer: Gandalf und die Zwerge erscheinen bei Bilbo zu Hause und die Geschichte nimmt Fahrt auf. Der Zauberer erzählt davon, dass Bilbo als Meisterdieb die Gruppe unterstützen soll.
  • 3. Die Verweigerung des Rufs: Bilbo macht Gandalf deutlich, dass er keinen Grund und auch keine Lust hat, sich der Truppe anzuschließen und das Auenland zu verlassen.
  • 4. Der Mentor überredet den Helden: Gandalf überredet ihn, sich mit den Zwergen auf den Weg zum einsamen Berg zu machen.
  • 5. Der Held übertritt die erste Schwelle: Ab hier gibt es für Bilbo kein zurück mehr. Er zieht aus und verlässt das Auenland.
  • 6. Erste Prüfungen: Bilbo stolpert durch sein Abenteuer und muss sich einigen Prüfungen stellen.  Dazu gehören Spinnen, Trolle und natürlich Gollum.
  • 7. Der Held dringt zum gefährlichsten Punkt vor: Die Truppe hat den Berg erreicht und Bilbo steigt hinab, um sich Smaug zu stellen.
  • 8. Die schwerste Prüfung: Bilbo nutzt sein ganzes Geschick um Smaug zu überwinden.
  • 9. Der Held erhält die Belohnung:  Im Schatz des Drachen findet im Bilbo den Arkenstein.
  • 10. Der Held tritt den Rückweg an (Überwinden der zweiten Schwelle): Nach bestandener Prüfung entkommt Bilbo aus dem Berg.
  • 11. Der Held ist zu einer neuen Persönlichkeit gereift: Durch die Erlebnisse ist Bilbos Mut gewachsen.
  • 12. Die Rückkehr nach Hause zurück: Bilbo kehrt ins Auenland zurück.

Nach seiner Reise hat Bilbo sehr viel zu erzählen und beginnt ein Buch zu schreiben. Nicht nur daran erkennen wir, dass die Heldenreise ein passendes Werkzeug sein kann, um eine Geschichte für das Publikum zu strukturieren. Besonders gut eignet sich die Heldenreise in Genres wie Abenteuer, Fantasy oder Science Fiction. Aber ganz ehrlich, auch in einem Liebesroman oder Krimi kann der Hauptcharakter eine Heldenreise durchleben. 

Also auf ins Abenteuer! Die Heldenreise kann dabei ein hilfreiches Werkzeug zur Orientierung sein.  

Du möchtest gerne noch andere Beispiele für die Verwendung der Heldenreise? Kein Problem! Sieh dir einfach mal „Der Herr der Ringe“, „Star Wars“ oder „Harry Potter“.

Das Freytags Schema

Gustav Freytag, ein deutscher Schriftsteller, versuchte 1863, die Struktur eines Dramas mit Hilfe eines Dreiecks zu erklären. Dabei nennt er fünf Teile des klassischen Dramas und fasst diese in Akte zusammen:

  • 1. Akt: Im ersten Akt kommt es zur Exposition (Einleitung), wobei das Publikum das Setting (zeitliche und örtliche Verhältnisse) und die Charaktere und ihre Vorgeschichte kennenlernt.  Am Ende des ersten Akts folgt der Auslöser, dabei wird die Aufmerksamkeit des Publikums auf den zentralen Konflikt gelenkt.
  • 2. Akt: Die Spannung nimmt in der steigenden Handlung Fahrt auf, indem die Handlungsstränge verknüpft und verworren werden. Die Geschichte entwickelt sich in Richtung des Endes (Finalspannung).
  • 3. Akt: Der Konflikt erreicht den Höhepunkt (Klimax), die Spannung ist am Maximum und der Held befindet sich in der entscheidenden Schlacht, die die dramatische Wende hin zum Sieg oder zur Niederlage bedeutet.
  • 4. Akt: In der fallenden Handlung bewegt sich die Geschichte dem Ende zu. Die Spannung aber steigt noch einmal, indem die Handlung im retardierenden Moment verzögert wird. Es scheint als könnte der Held doch noch gerettet werden (Ende: Katastrophe) oder es wird nochmals alles in Frage gestellt (Ende: Auflösung).
  • 5. Akt: Es kommt zur Lösung des Konflikts, der entweder in der Katastrophe endet (Untergang des Helden) oder in der Auflösung (Sieg des Helden).

Freytag hat sein Schema nur im Zusammenhang mit dem klassischen Drama beschrieben. Aber auch heute noch ist das Freytags Schema eine beliebte „story structure“. Berühmte Serien und Filme wie „Grey's Anatomy“, „Der Pate“, „Erin Brockovich“ und „Gladiator“ haben zum Beispiel eine 5-Akt-Struktur. 

Die 3-Akt-Struktur

Neben der Heldenreise und dem Freytags Schema stellt die 3-Akt-Struktur vermutlich die beliebteste „story structure“ in der modernen Literatur dar. Sie ist Gustavs Pyramide auch eigentlich ähnlich, nur der Höhepunkt verschiebt sich gegen das Ende. Daher nehmen wir die 3-Akt-Struktur jetzt unter die Lupe.

  • 1. Akt (Set-Up): Die Geschichte beginnt und die Protagonisten, die Welt und die Hintergründe werden vorgestellt. Dann kommt es zum Auslöser (engl. inciting incident). Der Charakter muss auf ein Ereignis reagieren, das den eigentlichen Plot der Geschichte auslöst. Es folgt der 1. Plotpunkt bei ca. 25% des Textes, der auch gleichzeitig das Ende des 1. Akts markiert. Es gibt ein Ereignis, das unumkehrbar ist und der Charakter stürzt sich in die Handlung. Dabei beginnt auch der zentrale Konflikt.
  • 2. Akt (Konfrontation): Im zweiten Akt rückt der zentrale Konflikt in den Fokus und es spielt sich der Hauptteil der Handlung ab. Bei der Hälfte der Geschichte ereignet sich der Mittelpunkt. Dabei ändert sich der Fokus der Geschichte, so kann z.B. der Charakter seine Einstellung ändern oder es kommt zu Ereignissen, auf die er reagieren muss. Es folgt die zweite Hälfte des 2. Akts, in der es zu einer Neufokussierung in der Handlung kommt. Am Ende des 2. Akts, bei ca. 75%, ereignet sich der 2. Plotpunkt. Der Charakter hat seinen Tiefpunkt erreicht, der Plan ist gescheitert. Es braucht einen neuen Anlauf des Hauptcharakters.
  • 3. Akt (Resolution): Im Höhepunkt (2. Plotpunkt) löst sich der zentrale Konflikt auf. Es kommt zu einem finalen Kampf, der von der Auflösung gefolgt wird. Das kann entweder eine Katastrophe oder ein Happy End sein. Alle im Text aufgeworfenen Fragen sind jetzt beantwortet. Nichts ist mehr offen.

Die 3-Akt-Struktur findest du in vielen Texten, egal ob es Drehbücher, Romane, Werbung, Zeitungsartikel oder wissenschaftliche Arbeiten sind. Da sie wirklich einfach zu verstehen ist, empfehle ich sie immer gerne. Das bedeutet aber nicht, dass sie das „Allheilmittel“ ist und andere „story structures“ deine Geschichte schlechter machen würden. 

Beispiele für die 3-Akt-Struktur sind unter anderem „Stirb Langsam“, „Indiana Jones - Jäger des verlorenen Schatzes“ und „Independence Day“.

Welche „story structure“ passt zu mir?

Nachdem du jetzt die Heldenreise, die 3-Akt-Struktur und das Freytags Schema kennst, fragst du dich vielleicht, welche der „story structure“ für dich und deine Geschichte die beste ist ... 

Eine klare Antwort darauf gibt es leider nicht. 

Das hört sich jetzt sicher im ersten Moment enttäuschend an, aber eine gute Nachricht gibt es trotzdem: Deiner Kreativität sind damit keine Grenzen gesetzt. 

Je mehr „story structures“ du kennst, desto mehr Möglichkeiten stehen dir offen, deine Geschichte zu erzählen. Am einfachsten kannst du herausfinden, welche Struktur zu dir passt, indem du einen Plot für deine Story erstellst. Aber zu diesem Thema liest du in meinem nächsten Blog-Artikel mehr. 

Buchempfehlungen zum Thema

In deutscher Sprache:

  • Stephan Waldscheidt (2016) Plot & Struktur: Dramaturgie, Szenen, dichtes Erzählen: Meisterkurs Romane schreiben. CreateSpace Independent Publishing Platform, 1. Auflage. ISBN: 978-1532734380
  • Sol Stein (2015) Über das Schreiben: Der Meisterlektor vieler erfolgreicher Schriftsteller unserer Zeit über Handwerk, Techniken und die Kunst des Schreibens. Autorenhaus Verlag GmbH. ISBN: 978-3866711266 

In englischer Sprache:

  • Jessica Brody (2018) Save the Cat! Writes a Novel: The Last Book On Novel Writing You'll Ever Need. Clarkson Potter/Ten Speed; Illustrated Edition. ISBN: 978-0399579745
  • Gwen Hayes (2016) Romancing the Beat: Story Structure for Romance Novels.  CreateSpace Independent Publishing Platform, 1. Edition. ISBN: 978-1530838615

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